Mittwoch, 29. April 2009

News: XO-Laptop auch mit VIA-Prozessor (Update)

Erfolg für VIA Technologies: Das von Nicholas Negroponte ins Leben gerufene One-Laptop-per-Child-(OLPC-)Projekt will nun auch ein Gerät der Generation 1.5 mit VIA-Hardware entwickeln.

Quelle: heise.de
Datum: 18.04.2009
Autor: ciw/c't

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Zitat:
Es soll nach einer Mitteilung unabhängig vom 2010 erwarteten XO-2 entstehen, der möglicherweise statt mit einem x86-Prozessor – im XO-1 kommt der noch bis 2015 verfügbare AMD Geode zum Einsatz – mit einer sparsameren ARM-CPU und also auch überarbeiteter Software arbeiten soll.

Die XO-Laptops mit VIA-Hardware sollen weitgehend den bisher gelieferten XO-1-Geräten mit AMD Geode entsprechen. Im Geneneration 1.5 XO-1 steckt aber ein Mainboard mit dem Einzelchip-"Chipsatz" VX855, darauf wiederum sitzt ein C7-M-ULV-Prozessor mit maximal 1 GHz Taktfrequenz.

Weil der Chipsatz die im XO-1 integrierte Kamera ebenso direkt anbinden kann wie SD-Speicherkarten und SDIO-Module, wollen die OLPC-Entwickler auf den speziellen PCI-Adapter Marvell 88ALP01 (Codename CaFE) verzichten, der bisher aber auch den NAND-Flash-Massenspeicher angebunden hat. Stattdessen soll wohl ein preiswerter SSD-Controller zum Einsatz kommen. Als WLAN-Adapter soll künftig der Marvell 88W8686 dienen, der statt am USB am SDIO-Port andockt. So soll sich das WLAN-Modul leicht austauschen lassen.

(Update:) Der USB-WLAN-Chip erschwerte laut einem OLPC-Software-Entwickler die Nutzung des Suspend-Modus. Ausserdem soll der Arbeitsspeicher von 256 MByte auf 1 GByte (DDR2-)SDRAM wachsen, auch beim Flash-Speicher ist mindestens das Vierfache (4 statt 1 GByte) vorgesehen, 8 GByte sind ebenfalls möglich. Durch den wesentlich grösseren Speicher kann das Betriebssystem auf die Kompression vieler Dateien verzichten, was das Arbeitstempo des Gerätes deutlich steigern soll.

Wie OLPCNews unter Berufung auf das "Tech Team" meldet, soll die Leistungsaufnahme des XO-1 Gen. 1.5 auf dem Niveau des bisherigen Geräts bleiben. Ein Update der "Sugar"-Software soll Treiber für die neue Hardware einbinden. Beim Display der Firma PixelQi, das zwei verschiedene Betriebsmodi (mit/ohne Hinterleuchtung) beherrscht, sind zunächst keine Änderungen geplant; auf längere Sicht soll aber ein helleres und noch effizienteres PixelQi-Display Einzug halten.

Erste Muster des neuen Mainboards sollen den OLPC-Treiberentwicklern ungefähr ab Mai zur Verfügung stehen, einige hundert komplette Vorseriengeräte der Generation 1.5 könnten etwa im August an Software-Entwickler gehen.

Die Firma VIA Technologies verfolgt – ebenso wie AMD mit dem 50x15-Plan und Intel mit World Ahead – mit pc-1 ein langfristiges Konzept zum Verkauf der eigenen Produkte an finanzschwache Käufer aus Entwicklungs- und Schwellenländern.

News: OLPC-Projekt liefert 250.000 XO-Laptops nach Indien

Grosser Erfolg für das One-Laptop-per-Child-(OLPC-)Projekt von Nicholas Negroponte: Trotz bisher eher skeptischer Haltung indischer Regierungsvertreter sollen jetzt 250.000 XO-Laptops nach Indien geliefert werden.

Quelle: heise.de
Datum: 28.04.2009
Autor: ciw/c't

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Zitat:
Laut Satish Jha haben zwei Regierungsorganisationen und ein privater Geldgeber die Verträge über 250.000 Schüler-Laptops abgeschlossen. Das teilte der Projektleiter von OLPC India, Satish Jha, der US-amerikanischen PC World mit. Demnach sollen ab Juni Geräte an rund 1500 Schulen geliefert werden.

Es wird spekuliert, dass die Digital Bridge Foundation, die bereits am indischen "OLPC Day" im vergangenen August beteiligt war, der private Geldgeber sei. Diese Stiftung gehört wie der indische Telekom-Konzern Reliance Communications (RCom) zur Reliance Anil Dhirubhai Ambani Group (Reliance ADA) des Milliardärs Anil Ambani. RCom kooperiert seit 2007 mit OLPC India und soll die Kommunikationsinfrastruktur für OLPC-Schulen schaffen.

In Indien gab es bisher nur einige kleinere OLPC-Musterprojekte. Die indische Regierung sieht beim "100-Dollar-Laptop" unter anderem auch Probleme mit der Finanzierung und hat eigene Projekte ins Leben gerufen, die noch billigere Zugangsgeräte für E-Learning entwickeln sollen – in diesem Zusammenhang war bereits von einem "10-Dollar-Laptop" die Rede. Wichtiger ist in diesem Zusammenhang das Projekt Sakshat als Teil der National Mission on Education through Information and Communication Technology, die die Schul- und Ausbildung in ländlichen Regionen und ärmerer Bevölkerungsschichten verbessern soll.

Doch indische Regierungsvertreter kritisierten auch das mit dem XO-Laptop und seinem Spezial-Betriebssystem beziehungsweise der Lernsoftware Sugar umgesetzte Konzept des selbstständigen Lernens. Der konventionellere, lehrerzentrierte Ansatz von Intel (Skoool/Classmate PC) war deshalb in Indien bisher erfolgreicher. Firmen wie HCL und Wipro verkaufen den Classmate in Indien. Die 250.000 indischen XO-Laptops könnten aber dazu beitragen, dass die ursprüngliche Idee der OLPC-Initiative, die von taiwanischen Firmen produzierten Geräte mit Spezial-Technik und freier Software durch sehr grosse Stückzahlen billiger zu machen, doch noch erreicht wird.

In Kooperation mit der Organisation Human Rights Respect Awareness Raising Campaigners (HURRARC) sollen auch in Sierra Leone – nach einem Pilotversuch mit 100 XO-Laptops – bis 2011 5000 Schüler-Notebooks verteilt werden. Kürzlich hatte das OLPC Tech Team angekündigt, eine verbesserte Version des XO-1 als XO-1.5 mit VIA-Hardware zu entwickeln.

Samstag, 25. April 2009

100-Dollar-Laptop bekommt Hardware-Update

Der 100-Dollar-Laptop XO des IT-Entwicklungshilfeprojekts One Laptop per Child (OLPC) wird künftig von Prozessoren aus dem Hause VIA angetrieben.

Quelle: computerwoche.de
Datum: 24.04.2009
Autor: Pte

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Bislang verbauten die OLPC-Ingeniere den Geode LX-700 von AMD, in den Modellen der Generation 1.5 wird der C7-M von VIA zu finden sein. Dieser Hardware-Refresh wurde von Entwicklungschef John Watlington angekündigt.

Der neue stromsparende Chip sei deutlich leistungsfähiger als der bislang verwendete AMD-Prozessor. Das Rechnerdesign wird sich allerdings gegenüber der ersten Version des OLPC-Laptops nicht verändern, so Watlington. Die Generation 2 des OLPC wurde bereits im Februar dieses Jahres angekündigt. Vor Mitte 2010 soll sie aber nicht marktreif sein.

Der Wechsel zu dem Chip von VIA hat sich bereits abgezeichnet, als sich AMD gegen die Produktion von Prozessoren für den Low-End-Netbook-Markt ausgesprochen hat. Bei AMD geht man davon aus, dass diese Mini-Notebook-Gattung mit der Zeit wieder verschwinden wird. Für die Weiterentwicklung des Geode-Prozessors war das das Aus, und die OLPC-Entwickler mussten sich um Ersatz umsehen. Für den als energiesparend konzipierten Laptop bietet sich der Low-Voltage-Chip von VIA an. Der C7-M verfügt darüber hinaus über den Vorteil, dass er je nach Bedarf getaktet werden kann. Die Taktfrequenz wechselt dynamisch von 400 Megahertz bis zu einem Gigahertz. Der Stromverbrauch variiert in dem Fall zwischen 1,5 und 5,0 Watt.

Neben dem neuen Prozessor verpassen die Ingenieure dem XO eine Rundum-Hardware-Erneuerung. Die CPU wird von dem Chipsatz VX855 unterstützt, der ebenfalls von VIA kommt. Dieser umfasst sowohl das Speicher-Interface wie auch 3D-Grafikkern, HD-Video-Decoder und die Unterstützung von USB-Schnittstellen. Der Arbeitsspeicher des Rechners wird ebenfalls vergrößert und verfügt über die Kapazität von einem Gigabyte. Bislang mussten die Geräte mit 256 Megabyte auskommen. Der interne Flash-Speicher wird auf vier Gigabyte vergrößert und soll somit genügend Platz für Videos, Musik und weitere Dateien bieten. Optional können zudem acht Gigabyte verbaut werden. Trotz der verbesserten Ausstattung seien die Fertigungskosten dennoch geringer, hält Watlington fest.

"Die Hardware der XO-1-Geräte hat mittlerweile doch schon einige Jahre auf dem Buckel. In den beiden vergangenen Jahren hat gerade sich bei Notebooks und im mobilen Bereich sehr viel getan", sagt Christoph Derndorfer von OLPC Österreich gegenüber pressetext. "Wenn man bedenkt, dass die XOs auf eine Lebenszeit von etwa fünf Jahren ausgelegt sind, dann ergibt es natürlich Sinn, die Geräte an neue Entwicklungen und Komponenten anzupassen."

Äußerlich wird sich der XO 1.5 nicht von dem ersten Modell unterscheiden. Ebenso bleiben der Bildschirm sowie die Batterie unverändert. Die Betriebsdauer des Akkus soll trotz der veränderten Hardware-Konfiguration in jedem Fall gleich bleiben, hebt der Chef-Entwickler hervor. "Die ersten Modelle werden Ende Mai an die Entwickler ausgeliefert, eine größere Anzahl an Prototypen wird voraussichtlich im August zur Verfügung stehen", sagt Derndorfer. Nach ausgiebigen Tests der Hard- und Software wird der XO 1.5 anschließend in Serienproduktion gehen.

India, Sierra Leone Place OLPC Orders

India has ordered 250,000 laptops from the One Laptop Per Child (OLPC) organization, while a human rights organization will supply 5,000 OLPC machines to Sierra Leone.

Quelle: pcworld.com
Datum: 24.04.2009
Autor: John Ribeiro and Olusegun Ogundeji, IDG News Service

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In India, two government organizations and one private-sector entity placed the laptop orders, Satish Jha, president and CEO of OLPC India, said Friday. These are the first orders in India for the OLPC XO laptop, with distribution set to begin in June to about 1,500 schools.

Giving a computer to every single child under the OLPC program was reportedly described as "pedagogically suspect" in 2006 by the country's education secretary in a letter to the country's Planning Commission. But the government as a whole did not have an issue with OLPC, and leading government education agencies support OLPC, Jha said. Most of the 250,000 laptops will go to children in suburban and rural areas, Jha said. In areas where Internet connectivity is not available or is too expensive, the laptops will be connected through mesh networks to a server from where information can be downloaded, Jha said.OLPC has a target to deploy 3 million laptops in India this year, he added.

In Sierra Leone, the plan is to distribute 5,000 XO laptops by 2011, according to Mohammed Kaindaneh, secretary general of the Human Rights Respect Awareness Raising Campaigners (HURRARC). Fundraising to pay for the project, which will cost about US$1 million, will take place over the next two years.

A pilot project involving 50 primary schools and 500 pupils will receive 100 OLPC computers, Kaindaneh said. The laptops for the three-month pilot are not included in the larger order for 5,000 OLPC laptops.

Ethiopia, Rwanda, Nigeria and Ghana also have received OLPC laptops.

News of the laptop project in Sierra Leone comes as research teams in Kenya, Nigeria and Zimbabwe release findings that the Asus Eee PC netbook is a better choice for African nations than the XO laptop. Asus is better suited to individual owners and users in rural Africa who need low-power PCs, researchers found.

They ranked the Asus Eee first for the needs of Africa, followed by Intel's Classmate, OLPC's XO, the Inveno Computing Station and Ncomputing's X300.

Freitag, 24. April 2009

Doktor Vázquez verschreibt Wissen

Uruguay ist weltweit das einzige Land, in dem bald alle Grundschüler einen eigenen Laptop haben werden. Staatschef Tabaré Vázquez machts möglich.

Quelle: tagesanzeiger.ch, derbund.ch
Datum: 23.04.2009
Autor: Hans Moser, Buenos Aires

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Er ist Präsident, aber nach wie vor auch Arzt. Einmal in der Woche kümmert sich Tabaré Vázquez neben den Regierungsgeschäften weiterhin um seine Patienten. Als Staatsoberhaupt handelt er ebenfalls des Öfteren eher wie ein Doktor, pragmatisch, kurz entschlossen und getreu der Erkenntnis, dass nicht bloss im Gesundheitsbereich in der Regel vorbeugen besser ist als heilen.

Dieser Instinkt des Mediziners war wohl auch im Spiel, als er vor gut zwei Jahren am Weltwirtschaftsforum in Davos die gemeinnützige Initiative One Laptop per Child (jedem Kind sein eigener Laptop) des Informatikers Nicholas Negroponte kennen lernte. Das Projekt des Professors am Massachusetts Institut of Technology überzeugte Vázquez. Er sah darin eine einmalige Chance, wirksam gegen eine der hartnäckigsten Krankheiten in den Schwellenländern vorzugehen: die Ignoranz.

Keine langen Vorabklärungen
Nach seiner Rückkehr in die Heimat machte er sich daran, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und zwar unverzüglich. Er liess nicht zuerst Machbarkeitsstudien erstellen oder hochkarätige Expertenkommissionen über die Vor- und Nachteile des Projekts diskutieren. Er klärte ab, wie viele Laptops nötig sind, damit künftig jedem Grundschüler in Uruguay ein solches Lern- und Arbeitsinstrument zur Verfügung steht, und bestellte daraufhin insgesamt 260'000 tragbare Computer. Weniger als ein Jahr nach Vázquez' Begegnung mit Negroponte in der Schweiz trafen die ersten Laptops ein.

Inzwischen haben bereits mehr als 170'000 Schüler und Lehrer ihren persönlichen Computer. Bis zum September wird Uruguay, ein Kleinstaat mit 3,7 Millionen Einwohnern, das erste Land der Welt sein, in dem sämtliche 260'000 Grundschüler einen Laptop ihr Eigen nennen. In Einführungskursen lernen Kinder und Lehrer, ihn sinnvoll einzusetzen. Die Schulen wurden mit Servern und Internet-Breitbandanschlüssen ausgestattet. Die Kinder nehmen die Laptops, die ihnen gehören, mit nach Hause, und manche geben dort ihre frisch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten an die Eltern weiter, von denen viele nie eine Schule besucht haben. Befürchtungen, dass Laptops verloren gehen könnten oder gestohlen werden, haben sich praktisch nicht erfüllt. Ein raffiniertes Kontrollsystem sorgt dafür, dass entwendete Geräte nur noch sehr beschränkt funktionsfähig sind.

Freiwillige Schulüberstunden
Uruguays Laptop-Offensive begeistert die Kinder dermassen, dass heute wesentlich weniger die Schule schwänzen. Laut Rodrigo Arboleda, Forscher am Massachusetts Institut of Technology, verbringen die Kinder teilweise bis zu 50 Prozent mehr Stunden in der Schule – freiwillig. Die von Doktor Vázquez verordnete Kur scheint also ein voller Erfolg zu sein.

Frei von Nebenwirkungen ist sie freilich nicht. Bisher wurde Uruguay gern mit der Schweiz verglichen. Jetzt, so findet der Wissenschafter Arboleda in einem Kommentar in der argentinischen Tageszeitung «La Nacíon», sei es höchste Zeit, Uruguay in «Finnland Südamerikas» umzubenennen oder noch besser: Finnland, das in Bildungsfragen als besonders aufgeschlossen gilt, als «Uruguay Europas» zu bezeichnen. «Denn kein einziges Land der Alten Welt kann von sich behaupten, dass es wie Uruguay alle seine Primarschüler gegen die Unwissenheit geimpft hat.»

Montag, 20. April 2009

Es tut der Bildung weh, weh, weh

«Klick» heisst das Buch, aber der Bildschirm auf dem Umschlag ist verhüllt. Es geht gerade nicht um den Klick am Computer, sondern um jenen in den Köpfen. Und der stellt sich laut der Autorin nur ein, wenn Kinder weniger klicken und mehr lesen.

Quelle: derbund.ch
Datum: 18.04.2009
Autor: Daniel Goldstein

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Zitat:
Wer ein ideologisches Feindbild braucht, muss schon wieder umlernen: Weder der zahnlos gewordene Marxismus noch der überbordende Kapitalismus ist heute die grösste Bedrohung, und wer auf Islamismus oder Terrorismus tippt, liegt falsch: Der «Digitalismus» ists, den die «Zeit»-Journalistin und Buchautorin Susanne Gaschke uns als übermächtiges Schreckgespenst präsentiert.

Zwar definiert sie «Digitalisten» recht unscharf als «Menschen, die auf jede Kritik am Netz empfindlich reagieren», und sie beschreibt diese geradezu als bunten Haufen von «Technikaffinen», PR-Fachleuten und andern trendfreudigen Öffentlichkeitsarbeitern bis hin zu Barack Obama, Angela Merkel und der «guten alten SPD» (der ihr Mann angehört, der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels). Aber all diesen «Propheten der Netzwelt» ist offenbar eine veritable Ideologie gemeinsam, mit allem, was dazugehört: Welterklärung, Heilsversprechen, Eigennutz.

Wem das Netz nützt
Gaschke bekennt: «Mich beunruhigt die Lust, die viele Netzbegeisterte an der Vorstellung zu finden scheinen, alte Zustände und Gewissheiten im wirklichen Leben würden nun endlich von einem Sturm der digitalen Erneuerung hinweggefegt. Ein Sturm aber prüft nie besonders sorgfältig, was vielleicht Bestand verdient hätte. Ausserdem erinnert diese Rhetorik einerseits sehr an den ideologischen Neoliberalismus mit all seinen gnadenlosen Flexibilisierungsforderungen, andererseits an den Marxismus und alle kompromisslosen Gewissheiten seiner Anhänger.»

Mit den bekannteren Ideologien teilt der Digitalismus durchaus den Herrschaftsanspruch. Einmal mit seinem Hunger nach persönlichen Daten, dann aber vor allem auch mit seiner Bildungs- und Arbeitsorganisation. Diese hat, folgt man der Autorin, den Systemzweck, statt Bürgern «infantilisierte» Konsumenten heranzuzüchten und deren Arbeitsleistung auszubeuten.

Vielleicht wird diese sogar gratis im Netz erbracht: «Das Netz biete wenigen eine unglaublich gute Möglichkeit, das gemeinschaftliche Produkt der vielen kommerziell auszuschlachten», schreibt Gaschke gestützt auf Nicholas Carr über «Mitmachmedien» wie Youtube. Carr, Ex-Chefredaktor der «Harvard Business Review», ist zusammen mit dem kritischen Medienwissenschaftler Neil Postman einer ihrer Kronzeugen. Im Übrigen erweckt sie den irrigen Eindruck, über die «Netzgesellschaft» werde nur Jubelpropaganda geschrieben.

Bildschirm raubt Zeit für Bücher
Zentral für die von Gaschke behauptete «digitale Verdummung» ist die Verdrängung des Lesens durch Computernutzung, gefördert durch grosszügige Lieferanten sowie von diesen geköderten und auf Modernität versessenen Pädagogen und Bildungspolitikern. Zu den anderthalb Stunden, die deutsche Jugendliche vor zehn Jahren durchschnittlich pro Tag vor dem Fernsehbildschirm verbrachten, sei nun gleich viel Computerzeit hinzugekommen, praktisch ohne TV-Verzicht: «Das sind Stunden, die für die Lektüre fehlen.» Gaschke sieht «das Viellesen, das Lesen vor allem von Büchern, (als) notwendige Voraussetzung für jene Lesekompetenz, die es ermöglicht, auch mit elektronisch angebotenen Texten souverän umzugehen».

Ohne diese Kompetenz aber fallen alle Verheissungen der «Informationsgesellschaft» in sich zusammen, weil «wir Weltverständnis nicht bei Google finden», die digitale Fülle weder sinnvoll durchforsten noch einordnen und nutzen können – sondern höchstens fähig werden, dem vielen Schrott im Netz «kreativ» weiteren hinzuzufügen.

«Medienverwahrloste Schüler»
Die Autorin appelliert ans «Bildungsbürgertum, endlich Stellung zu beziehen» und einen ganzheitlichen, auf «Charakter und Urteilsfähigkeit» gerichteten Bildungsbegriff zu verteidigen. Auch gegen eine angebliche Demokratisierung der Schulbildung: «Ihr, sagen die Digitalisten und meinen damit das Bildungsbürgertum, ihr habt bisher bestimmt, was galt und was nicht galt, was Menschen zu wissen hatten, um bei euerem Bildungsspiel mitzuspielen. (...) Das wird jetzt anders, wo jeder potenziell alles wissen kann und alles veröffentlichen, was ihm wichtig erscheint.»

Immer laut den so porträtierten (oder karikierten) Digitalisten erteilen nun die Schüler den Lehrern Nachhilfe bei der Netznutzung und finden selber, was sie brauchen. Gaschke aber zitiert Lehrer, die bei ihren Schülern unkritischen und auf Unterhaltung fixierten Umgang mit dem Internet beobachten, und sie meint: «Diese antiautoritär auftretende digitale Ideologie ist gegenwärtig noch dabei, sich bei uns auszubreiten, und es wird wahrscheinlich Jahrzehnte und zahlreiche schlecht unterrichtete, medienverwahrloste Schülerjahrgänge brauchen, bis wir diesen Trend wieder umkehren können.» In Amerika aber scheine immerhin «eine gewisse Nachdenklichkeit einzusetzen».

Die «Funktion des Lehrers» im Kampf gegen die digitale Verdummung sieht Susanne Gaschke so, dass er «die Schüler zwingt, bei der Sache zu bleiben, und immer wieder mit ihnen die Einordnung blosser Fakten in Hierarchien und Zusammenhänge übt». Ganz ähnlich fungiert die Redaktorin gegenüber der Leserin, nur natürlich ohne Zwang, sondern mit der Versuchung guten Lesestoffs und ohne ausdrückliches Üben, sondern kraft der gebotenen Auswahl und Zusammenstellung.

Ablenkung statt Aufklärung
Aber auch diese Medienfunktion ist in Gefahr: «Die Netzfans unterstellen, online könne man sich freier, vielfältiger, aus unterschiedlichsten Quellen informieren und sei nicht mehr der Autorität der Mainstream-Medien unterworfen. Das stimmt, wenn man auswählen und beurteilen und auch am Bildschirm zu Ende lesen kann. Und wenn man es dann tut. Aber in der anstrengenden Realität des Alltags hat nicht jeder die Zeit dazu oder die Kraft. Oder er wird abgelenkt.»

Ablenkung, so unterstellt die Autorin, ist ja gerade das, was die digitale Ideologie bezweckt, um gefügige, kindische Konsumenten und Zuträger zu erhalten. Auch Medienkonzerne kommen auf den Geschmack, statt bezahlter Journalisten Jekami-Schreiber oder -Filmer zu beschäftigen. Und wenn sich Politiker selber als Blog-Verfasser betätigen, so hat Gaschke dafür nur Spott übrig: «Das Pennäler-Getwitter war als ,Kommunikation mit dem Wähler‘ gedacht? Oh weh.» Das schreibt sie über die Kurzbeiträge, die SPD-Generalsekretär Hubertus Heil von jenem US-Parteitag, der Obama nominierte, in den Internet-Dienst Twitter stellte.

Vergötterter Obama
Dem Internet-Wahlkampf, mit dem Barack Obama «geradezu ein Gott für die Digitalisten» wurde, kann die «Zeit»-Journalistin keine Hoffnung für die Demokratie abgewinnen. Wirksam sei er vor allem insofern gewesen, als er ins wirkliche Leben hineinwirkte, so durchs Auftreiben von Spenden, aber auch durch die Aufmerksamkeit der klassischen Medien.

Und wenn die Erwartungen, die Obama in seiner «Online-Community» weckte, in der politischen Realität nicht erfüllt würden, dann «könnte sich Frustration breitmachen», warnt die Autorin.

Reale Gemeinschaft nötig
Ähnlich wie Bildung ist Politik für Gaschke «eine ganzheitliche Erfahrung, die echter Menschen bedarf, die einander kennen. Sie kann online unterstützt und ergänzt, aber niemals ersetzt werden.» Trotz diesem basisnahen Ansatz zielt die Autorin nur auf repräsentative Demokratie ab und nicht etwa auf direkte, geschweige denn via Internet ausgeübte.

Sie glaubt, dass das «schwindende Interesse an Gesellschaft etwas mit der zurückgehenden Zeitungslektüre bei Jüngeren zu tun haben könnte»: Es fehle dadurch an «gemeinsamen Geschichten», und solche würden auch nicht von der mythisch beschworenen Internet-Gemeinschaft erschaffen; vielmehr bestehe diese aus isolierten Gruppen mit gemeinsamen Interessen, und sei es nur die Pflege gesichtsloser «Freundschaften».

Lapidare «Strategien»
Die «Strategien gegen die digitale Verdummung», die der Untertitel verspricht, schimmern da und dort durch, etwa beim Lob der Lehrerin oder des Redaktors. Ausdrücklich aufgeführt werden sie aber nur gerade auf den letzten vier Seiten, und sie lassen sich auf den einen Grundsatz reduzieren: Man mache von den neuen Medien vernünftigen Gebrauch, verschaffe sich Information statt Berieselung, gebe von sich nur preis, was man wirklich öffentlich machen will, schreibe keine unnötigen E-Mails und beziehe die Teilnahme in Online-Gruppen stets aufs reale Leben.

Vor allem aber: «Für Kinder gilt: Sie brauchen viel, viel Zuwendung von Erwachsenen. Und es ist unglaublich wichtig, dass sie souverän lesen und Geschichten lieben lernen. Wenn sie das können, darf man anfangen, mit Fernsehen und digitalen Medien zu experimentieren – in dem Masse, in dem man bereit ist, zu begleiten, was sie sehen und tun. Wer sagt, es gehe umgekehrt, macht sich etwas vor.» Dem können gewiss auch jene beipflichten, die im Internet nicht nur Gefahren für Bildung, Information und Politik sehen, sondern auch Chancen. Unter ihnen könnte Susanne Gaschke Verbündete finden, wenn sie es nicht vorzöge, sie quasi als nützliche Idioten der digitalen Ideologie zu verunglimpfen.

Originaltext >>
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Montag, 13. April 2009

Mit einem Klick aus dem Elend

Wie das Projekt «One Laptop per Child» in einem südafrikanischen Slum Kindern neue Chancen eröffnet.

Quelle: sonntagszeitung.ch
Datum: 12.04.2009
Autor: Till Hein

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Es ist ein Uhr mittags. Noch viel zu früh. Doch die ersten Kinder von Kliptown warten schon vor der grossen Baracke. Gleich öffnet Sozialarbeiter Thulani Madondo die Tür zum Kinder- und Jugendklub des Townships am Rande von Johannesburg.

45 000 Menschen leben hier. Im Slum gibt es kein fliessend Wasser, keinen Strom. 70 Prozent der Bewohner sind arbeitslos, 25 Prozent HIV-positiv. Vielen Kindern bleibt nur das Stehlen. «Die Laptops sind unsere grosse Hoffnung!», sagt Madondo und öffnet die Türen der Baracke.

Vor einem Jahr hat Madondos Jugendklub, das «Kliptown Youth Program», 100 Notebooks aus den USA bekommen. Kostenlos. Stolz zieht Andisiwe, ein quirliges Mädchen mit Pippi-Langstrumpf-Zöpfen, eines dieser weiss-grünen Geräte aus der zerknitterten Plastiktüte. «Toll, nicht wahr?», sagt sie, und streicht mit der Hand zärtlich über die Tastatur.

Die Notebooks in Kliptown sind Teil einer grossen Mission: 2005 gründete Nicholas Negroponte, Professor am renommierten MIT Media Lab in Boston, die Hilfsorganisation One-Laptop-Per-Child (OLPC). Sie verteilt Laptops an die ärmsten Kinder der Welt. Wenn man Negroponte glaubt, sind seine Computer Zaubermaschinen: Fachwissen, Lerntechniken, Teamfähigkeit, Selbstbewusstsein, Kreativität - all das sollen die Kinder dank ihnen selbstständig erwerben. Grosse Konzerne wie AMD, Ebay, Google oder Quanta Computer gehören zu Negropontes Partnern.

Der Fussboden im Jugendtreff ist abgewetzt, die Neonröhre an der Decke herausgebrochen. Auf einem Pult türmen sich Laptops, darunter ein Kabelsalat mit vielen Dreifachsteckern. Es ist die Ladestation für die Notebooks. Die Kinder benutzen ihre PCs auch zu Hause, und die Akkus reichen nur für ein paar Stunden.

In Madondos Jugendtreff sind die Laptops die Hauptattraktion. Man kann mit den weiss-grünen Kisten schreiben, rechnen, im Internet surfen, Musik herunterladen, Videos drehen, komponieren und zeichnen. «Die Kinder entdecken täglich weitere Möglichkeiten», schwärmt Madondo.

Der ehemalige Automechaniker ist heute Netzwerkexperte
Einige sitzen bereits vor den Bildschirmen. Amanda etwa, ein zierliches Mädchen mit grossen, neugierigen Augen, probiert gemeinsam mit ein paar Freundinnen ein Musikprogramm aus: Techno hämmert aus dem Lautsprecher, die Mädchen wippen im Takt. Andere Kinder rechnen: Auf einer Art Schachbrett sind auf dem Bildschirm Rechenaufgaben und Zahlen zu sehen. Wer bei «2 x 4» das Feld mit der «8» anklickt, bekommt einen Punkt. «Yeah!», ruft ein Junge begeistert. Wieder richtig!

Früher, als er noch gewöhnliche Hausaufgabenbetreuung anbot, hielt sich der Andrang in Grenzen, erzählt Madondo. Aber dank der Computer habe sich sein Treff super entwickelt: Statt knapp 100 hat der Klub inzwischen 251 Mitglieder - und die Notebooks werden langsam knapp.

Ob das Training mit den Laptops die Chancen der Kinder in Entwicklungsländern tatsächlich verbessert, sei bisher nie systematisch untersucht worden, sagt Madondo. Auch in Kliptown nicht. Für ihn steht der Erfolg des Notebook-Projekts dennoch ausser Frage: «Die Kinder sind selbstbewusster geworden, seit sie die Computer haben», erzählt er. «Und sie können sich länger konzentrieren.» Madondo glaubt, dass die Laptops helfen werden, den Lebensstandard im Slum zu verbessern. «Bisher ist mir zwar noch kein neuer Bill Gates unter den Jugendlichen aufgefallen», lächelt er. «Aber wir haben die Computer ja auch erst seit ein paar Monaten.»

In einer Ecke der Baracke hat es sich Andisiwe mit zwei Freunden gemütlich gemacht. Mit Kennerblick tippt sie ein paar Tasten an. Dann beginnen die Kinder zu singen. Es ist ein trauriges Lied auf Zulu, eine der Stammessprachen in Südafrika. Die Kinder versuchen das Lied aufzunehmen. Jetzt presst Andisiwe ein Ohr an den Lautsprecher und strahlt. Stolz reicht sie ihr Notebook herüber: Leise zwar, aber die Melodie ist zu hören.

Ab 15 Uhr dürfen die Kinder online gehen - eine der Hauptattraktionen. «Wir schalten das Modem bewusst erst am Nachmittag ein», erklärt Thulani Madondo. «Sonst würden morgens zu viele die Schule schwänzen.» Die meisten Kinder aus dem Jugendtreff kennen niemanden ausserhalb von Kliptown. Die mailen sich halt einfach gegenseitig. Andere tauschen sich auch mit Onlinefreunden in der Limpopo-Provinz aus, ganz im Norden Südafrikas. An eine dortige Schule wurden im Herbst ebenfalls 100 OLPC-Computer gespendet.

Viele der Kinder wollen einmal so werden wie Neo Masilo. Der fröhliche 35-Jährige mit der Narbe quer über die linke Wange ist oft die letzte Rettung: immer dann, wenn der Internetserver mal wieder streikt. Eigentlich ist Masilo Automechaniker. Vor zehn Jahren lieh ihm jedoch ein Kumpel einen PC aus. «Hab ihn nie mehr zurückgegeben», erzählt er und grinst.

Nächtelang sass er vor dem Computer, probierte alle Programme aus. Weil der PC häufig abstürzte, begann er sich für Wartung und Support zu interessieren. Mittlerweile ist er Netzwerkexperte und PC-Doktor. Neo hat das Modem wieder zum Laufen gekriegt. «Kann los gehen!», ruft er und zwinkert den Kindern zu: Bahn frei fürs Surfen!

«Bisher ist kein einziger Laptop abhanden gekommen»
OLPC-Gründer Negroponte träumte ursprünglich von 100 Millionen Laptops für arme Kinder. Aber vielen Regierungen in den Entwicklungsländern waren selbst die Billigcomputer zu teuer. Andere erklärten, sauberes Wasser und besser ausgebildete Lehrer seien viel wichtiger als tragbare Computer. Immerhin: 750 000 Stück sind mittlerweile in Lateinamerika, Asien, dem Mittleren Osten und Afrika verteilt.

«Bisher ist uns kein einziger Laptop abhanden gekommen», sagt Sozialarbeiter Madondo stolz. «Aber bei zehn Geräten ist leider der Bildschirm zersplittert», fügt er verlegen an. Die Laptops überleben zwar selbst einen Sturz auf den Boden, aber anfangs hätten einige Kinder die Notebooks durch die Gegend geschleudert, wenn sie abstürzten.

In der Bibliothek des Jugendtreffs - einige Holzregale, vollgestopft mit Märchenbüchern, Tier- und Seeräubergeschichten, Mathe-Büchern und Englisch-Kursen - haben sich ein paar Mädchen breit gemacht. Sie fläzen in den Sitzsäcken oder liegen bäuchlings auf dem Fussboden. Viele haben Bücher aufgeschlagen und tippen konzentriert in ihren Laptop.

«Sie chatten», flüstert der Bibliothekar, ein Mittzwanziger in einem T-Shirt mit der Aufschrift «Dont kill yourself - skill yourself!». Und in der Tat: Die Mädchen tauschen sich über ihre Lektüre aus; berichten ihren Freundinnen, was den Helden der Geschichten gerade widerfahren ist.Er habe den Kindern erklärt, dass sie hier leise sein müssen, flüstert der Bibliothekar. «Genau wie in einer richtigen Bibliothek.»

Später trommelt Thulani Madondo seine Schützlinge zusammen: «Laptops schliessen, Tische und Stühle zur Seite räumen!» Einige wollen erst nicht recht, müssen sich vom Bildschirm losreissen. Vor Einbruch der Dunkelheit schliesst der Jugendtreff. Es gibt keine Strassenbeleuchtung im Township, und einige Kinder müssen noch die gefährlichen Eisenbahngleise ohne Bahnschranken überqueren. Taschenlampen haben sie nicht.

Amanda, das zierliche Mädchen, das so gerne Techno hört, trägt ihr Notebook sorgfältig im Plastikbeutel verpackt nach Hause. Immer geradeaus, der staubigen Hauptstrasse entlang, vorbei an Wellblechverschlägen und Müllbergen. Heute Abend wird sie ihren 17 Geschwistern, Nichten und Neffen mal wieder PC-Unterricht geben.