Samstag, 9. Mai 2009

News: Wissenschaft vs. Kunst und Politik: Die beiden Kulturen

Wieviel technisches Wissen kann eine Gesellschaft den Technikern überlassen, ohne blind zu werden?

Quelle: heise.de
Datum: 08.05.2009
Autor: Detlef Borchers, jk/c't
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Zitat:
Am gestrigen 07. Mai vor 50 Jahren hielt der Schriftsteller C.P. Snow die jährliche "Rede Lecture", eine Ansprache vor einem geladenen Publikum, die ursprünglich "The Rich and the Poor" heißen sollte. Er sprach dann aber über das Motto The Two Cultures und kreierte damit eine Debatte, die bis heute andauert.

Wieviel technisches Wissen kann eine Gesellschaft den Technikern überlassen, ohne blind zu werden? Modern gefragt: Müssen Politiker nicht wissen, wie das DNS funktioniert, wenn sie über Kinderporno-Sperren diskutieren?

1959 war C.P. Snow ein einflussreicher Verfasser von Romanen, der gerne als Redner geladen wurde. Als ausgebildeter Chemiker und (erfolgloser) Erforscher des Vitamin A galt Snow als Mensch, der zwischen den Welten der Wissenschaft und der Kunst und der Politik vermitteln konnte. Die Politik hatte es ihm besonders angetan, nachdem er im Zweiten Weltkrieg in einem Planungsstab der Armee gearbeitet hatte, der kriegswichtige Forschungen bewerten musste.

Müssen Literaten den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik kennen, fragte Snow in der Rede und bejahte dies. Wissenschaftliche Ergebnisse, die direkt das moderne Leben beinflussen, dürfen von jenen nicht ignoriert werden, die sich den schönen Künsten widmen. Snow diagnostizierte eine zunehmende Entfremdung von Wissenschaft und Gesellschaft, die nicht einmal mehr eine gemeinsame Sprache sprechen. So könnten die dringendsten Probleme der Nachkriegszeit unmöglich angegangen werden, weil sie nur mit der Wissenschaft gelöst werden können: Der Hunger und der ungleiche Entwicklungsstand von Ländern in der Dritten Welt bräuchten wissenschaftliche Antworten. Außerdem müsste in den rückständigen Ländern mit modernsten Methoden die Bildung umgekrempelt werden.

In England wurde Snows Rede Lecture über 10 Jahre lang heftig diskutiert. Schließlich hatte Snow Großbritannien unter die nicht besonders fortgeschrittenen Länder eingeordnet, weil ein elitäres Bildungssystem die Grundlagenforschung ächtete. Snow führte die Rede in die Politik: Er wurde zweiter Mann im Technologieministerium des Labour-Premierministers Howard Wilson, der zu seiner Amtsübernahme versprach, das Land "mit dem Glühen der technologischen Revolution" voranzubringen. Auch im Ausland fand Snows Rede große Beachtung. Der Sputnik-Schock war noch nicht vergessen. Genau 20 Mal erhielt Snow einen Ehrendoktor für seine Rede, doch keinen von Großbritanniens Universitäten, die er als muffige, verstaubte Institutionen abgekanzelt hatte.

In der IT-Branche lebt Snows Ideen im dem Project One Laptop per Child fort. Billige Computer sollen die Erziehung in der Dritten Welt so verändern, dass die Länder in der Lage sind, mit einem technischen Sprung ihre Probleme anzugehen und innovative Lösungen zu finden.